Todo Santos in Independencia

 

Letztes Wochenende wurde Allerheiligen gefeiert. Hier bekannt als „Todo Santos“. Per Bus ging es nach Independencia. Das ist ein kleines Dorf in den Bergen, sieben Stunden von Cochabamba entfernt, wo zwei weitere Freiwillige (Pauline & Kira) wohnen und arbeiten. Alle haben uns gesagt, dass auf dem Land die Tradition viel mehr ausgelebt wird und dass das Fest viel schöner sein soll als hier in der Stadt. Also beschlossen wir, dass wir übers verlängerte Wochenende (Feiertag am Sonntag heißt ja bekanntlich am Montag auch noch frei 😉 ) zu den Mädels rausfahren. Alleine die Busfahrt war abenteuerlich. Schwankend und v.a. hupend ging es die längste Zeit über unbefestigte Straßen mitten durchs Nichts. Weit und breit waren nur Berge zu sehen. Ab und zu erhaschte man einen Blick auf ein, zwei Häuser, die wirklich mitten in der Pampa standen. Pause machte der Bus im gefühlt einzigen Dorf auf der Fahrt bevor es wieder durch die Landschaft ging. Es ist doch ein sehr großer Unterschied zu uns in der Stadt – viel ruhiger, viel entspannender und viel mehr Quetschua – also eigentlich wurde kaum Spanisch gesprochen…

Aber was passiert eigentlich hier an Todo Santos?

Samstagabend (1.11.) laufen hier Kinder von Haus zu Haus und beten für die Verstorbenen der Familien. Dafür erhalten sie selbstgemachtes Brot oder Früchte. Abends sind wir mit auf den Friedhof. Dort war ein kurzer Gottesdienst und danach konnte man zu verschiedenen Gräbern gehen und dort beten. An fast jeden Grab saßen Verwandte, die die Gräber mit Kerzen und Blumen geschmückt hatten. Zusammen mit drei Bolivianerinnen, die uns ein wenig halfen, uns zurecht zu finden, gingen wir zu ein paar Gräbern und beteten immer 3 Vater Unser und 3 Ave Marias. Danach bekamen wir immer ein wenig Brot – wie es dem Brauch entspricht. Ab und zu gab es auch Bier, Schnaps oder Chicha zu trinken. Man darf eigentlich hier nichts ablehnen, wenn man eingeladen wird, weil dies sehr unhöflich ist, aber man darf der Pachamama einen großen Schluck gönnen, d.h. man schüttet einen Teil der Chicha für die Mutter Erde auf dieselbiege. Trotzdem sahen wir ein paar Betrunkene auf dem Friedhof herum torkeln – auch nicht unbedingt das, was man in Deutschland von Allerheiligen gewohnt ist…

Doch am nächsten Tag ging es eigentlich erst richtig los: sehr viele Verwandte waren gekommen und hatten die Gräber geschmückt. Es gab immer einen Tisch mit dem Essen oder Früchten, die der Verstorbene besonders gern hatte. Nachdem wir jedes Mal für die Toten gebetet hatten, bekamen wir wieder etwas Brot. Wir beteten auf Deutsch, was für die meisten viel interessanter war, als auf Spanisch. Wir wurden sogar dabei dreimal gefilmt 😀 Am Ende hatten wir die Taschen voller hartem Brot und ein paar Früchten. Das war allerdings das einzige was voll war! Die Chicha war dann doch nicht ganz so meins.

Leider hat es an den zwei Tagen geregnet, deswegen war der Friedhof voller Schlamm und extrem rutschig. Am Montag stand dann der letzte Kultur-Programmpunkt des Festes an. Hier ist es üblich, dass man an den Tagen danach an großen Bäumen mit Seilen schaukelt, wobei man dabei von zwei Jungs angestumpt wird. Normalerweise muss man dabei einen Wechselgesang anstimmen, in dem man Gebete zu Gott und den Verstorbenen spricht, da man durchs Schaukeln näher am Himmel ist, und gleichzeitig dabei mit dem Fuß einen Korb angeln, aber bei uns war das nicht der Fall. Wahrscheinlich waren wir zu früh dort. Die Schaukel war allerdings ziemlich weit weg, da wir auf dem Weg keine andere finden konnten. Deshalb beschlossen wir zu sechst auf die Ladefläche eines Lasters zu klettern und so Zeit zu sparen. Die Fahrt endete leider nach ca. 15min, weil irgendetwas mit einem lautem Knall gefolgt von einem lautem Zischen und einer kleinen Rauchwolke platzte. Der Reifen war es gottseidank nicht! Aber das letzte Stück sind wir dann doch lieber gelaufen, auch wenn der Laster ne halbe Stunde später weiter gefahren ist – da wollte wir dann doch nicht mehr mitfahren…

Zurück gingen wir zu viert, da die zwei Bolivianerinnen noch ein wenig länger bleiben wollten. Nach einer halben Stunde Fußmarsch auf der Straße beschlossen wir querfeldein abzukürzen, in der Hoffnung wir wären dadurch „schneller“ 🙂 Was für ein Trugschluss! Aber wir hatten unseren Spaß!! Etwas Abenteuer kann ja nicht schaden… Wir hatten nämlich leider nicht bedacht bzw. gesehen, dass wir bei der Abkürzung durch drei Flüsschen mussten, plötzlich Steilhänge vor uns hatten und durch Gestrüpp mussten. Aber wer will schon die ganz normale Straße nehmen – das wäre doch viel zu langweilig gewesen! 🙂 Nach 2,5h Wandern kamen wir wieder zwar erschöpft von Sonne und Höhe, aber wohlbehalten im Centrum an. Zu unserem Bedauern kamen wir bei unserem Rückweg an zwei Schaukeln vorbei, die im Nachbarort (allerhöchstens 30min zu Fuß…) waren. Aber mit uns ist einfach immer ein wenig Aufregung mitgebucht!

Für den Rückweg hatten wir Tickets für den Bus um zwei Uhr nachts reserviert gehabt. Pünktlich machten wir uns also auf den Weg. Als wir einsteigen wollten, waren unsere zwei Plätze leider schon belegt… Es stellte sich heraus, dass wir im falschem Bus waren. Naja, halb so schlimm, suchen wir halt unseren Bus. Gab nur leider keinen anderen mehr! Nach kurzer Nachfrage bei dem Busunternehmen, wo wir fälschlicherweise standen, erklärten sie uns, dass unser Bus am Abend tags zuvor gefahren ist… wurde scheinbar kurzfristig verlegt! Glücklicherweise fuhren noch andere Busse nach Cochabamba. Doch die um 2:00Uhr, 2:30Uhr und um 3:00Uhr waren leider alle schon voll. Dummerweise erfuhren wir das immer erst eine halbe Stunde vor deren Abfahrt, als das jeweilige Büro aufgemacht hatte. Nachdem wir zwei Stunden in Independencia auf der Hauptstraße gewartet hatten, hatten wir doch noch Glück, da der Bus um halb vier noch einzelne Plätze frei hatte. Kurz vor vier rollten wir dann durch den Nebel los in Richtung Cochabamba. Bolivien bietet doch immer wieder Überraschungen und verlangt spontane Entscheidungen!! 🙂

 

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